Ruhe und Erholung auf Langeoog?

„Urlaub auf Langeoog – das bedeutet 14 km langer Sandstrand und gesundes Nordseeklima ohne Autos – einfach Erholung pur auf Langeoog! Ob Sie alleine oder mit der Familie anreisen, Langeoog ist das ganze Jahr über ein Ferienparadies für jeden Geschmack.“ (insel-langeoog.de)

Nun, bekanntlicherweise sind Geschmäcker ja verschieden, aber dieser einleitende Satz erzeugt bei dem größten Teil der Leser sicher schon Lust auf mehr… Allein dass die Insel autofrei ist könnte dem Ruhesuchenden suggerieren, dass man hier wirklich entspannte Tage verbringen kann.

Inseln haben immer ihren Reiz und aus der Luft betrachtet sieht Langeoog auch wirklich traumhaft aus. Aus den Eckdaten erfährt der Interessent, dass die Einwohnerzahl mit 100 Ew./km² inseltypisch recht gering ausfällt. Was also spricht dagegen auch mal einen entspannten Urlaub auf Langeoog zu verbringen?

Ich möchte an dieser Stelle vielleicht das, von den Gastgebern gezeichnete, Bild ein klein wenig gerade rücken.

Als Lale Andersen sich Langeoog als Wahlheimat aussuchte, lag die Anzahl der Besucher, die ihren Urlaub auf der Insel verbrachten, auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Weniger als 30.000 Gäste kamen damals jedes Jahr auf das Eiland. Laut der Tourismus Statistik wuchs die Zahl bis zum Jahr 2010 auf 204 000 Gäste an. Aber was sagt diese Zahl schon so alleine aus! Für den Tourismusverband und die Unternehmen, welche von den wachsenden Zahlen profitieren, ist das schon eine tolle Sache, aber für die Inselgemeinde, die Ökologie der Insel und die Erwartungshaltung neuer Besucher hat das eher negative Auswirkungen.

Schaut man sich einmal die Einwohner- und Besucherzahlen in Bezug auf die bebaute Fläche der Insel an, so bekommt man vielleicht ein Gefühl für das,was sich auf dieser kleinen Insel tagtäglich so abspielt. Lediglich 5 % der Inselfläche von 20 km² sind bebaut und beherbergen sowohl die gemeldeten Einwohner als auch die Feriengäste. Wenn man nun die 1,5 Mio Übernachtungen aus 2010 durch die Anzahl der Gäste (ohne Tagesgäste) teilt, so erhält man die durchschnittliche Anzahl der Übernachtungen von ca. 7,3. Wenn nun 204000 Gäste durchschnittlich eine Woche bleiben, befinden sich täglich im mittel rund 4000 Gäste auf der Insel. Im Sommer wird die Bettenzahl von 10.000 sicher auch voll ausgenutzt und nur in der Zwischensaison sollte es dementsprechend ruhiger werden. Was man den Insulanern auch wünschen kann…

Man kann aber davon ausgehen, dass beide – der gemeine Tourist und auch der Insulaner – in den Morgen- und Abendstunden des Sommers die gefühlte Einwohnerzahl von ca. 6000 – 12000 Ew./km² zu spüren bekommt. Vergleicht man diese Einwohnerzahl einmal mit einer Großstadt wie Berlin, so kommen doch erhebliche Zweifel auf, wie bei der zwei- bis dreifachen Menge von Menschen auf gleichem Raum überhaupt Urlaubsstimmung aufkommen soll – von Ruhe und Erholung mal ganz zu schweigen.

Tagsüber kann man sich auf der Insel die Zeit mit langen Strandspaziergängen vertreiben oder mit dem Rad die gepflasterten Wege der Insel abfahren. Das Betreten der Dünenlandschaft ist untersagt und das Verlassen der Wege ebenso. Das macht auch Sinn, denn sonst würde die Insel sicher, in ihrer jetzigen Form, nicht mehr existieren, mal ganz abgesehen von der grossen Vielfalt der dort heimischen Vögel, welche sich dann schon verkrümelt hätten.

Ist man auf der Insel unterwegs, lohnt es sich auf jeden Fall den Weg bis ans östliche Ende abzuradeln. Dort verlieren sich nur noch ein paar kernige Strampler in der Landschaft und mit ein bisschen Glück kann man auch eine Bank für sich alleine finden. Strandspaziergänge in Ortsnähe haben in bestimmten Zeiten eher Massenwanderungscharakter. Das abendliche Mahl wird, sofern man sich nicht selbst versorgt, zum Abenteuer. Abgesehen davon, dass im Ortskern eigentlich immer Kirmesstimmung mit der entsprechenden Anzahl von Menschen herrscht, ist man gut beraten, wenn man jeden Abend einen Tisch bestellt. Und das besser zwei Tage im voraus.

Auch sollte man nicht wirklich glauben, dass der fehlende Autoverkehr unbeschwerte Spaziergänge durch den Ort ermöglicht. Ruft man sich kurz nochmal den Charakter einer Kirmes in seine Gedanken zurück und kombiniert diesen mit dem Fahrradverkehr der Berliner Innenstadt, so erhält man das, was sich in diesem kleinen Inselort abspielt. Massenhaft Fußgänger, die gedankenlos kreuz und quer über Wege und Straßen laufen, umrundet und weggeklingelt von Radlern mit Lasten- oder Kinderanhänger. Häufige Kollisionen sind hier nicht auszuschließen, auch wenn sie vermutlich etwas glimpflicher ablaufen als im üblichen Straßenverkehr. Wobei sich dort die Verkehrsteilnehmer zumindest zu 95% an die Verkehrsregeln halten, was auf Langeoog eher nicht de Fall ist.

Insofern kann ich manchen Insulaner verstehen, der sich die gute alte Zeit zurückwünscht, als es den Tourismus noch ohne Massen gab und der sich auch gegen eine Erhöhung der Bettenzahlen ausspricht.

Mag sein, dass man ab und zu zur falschen Zeit am falschen Ort ist und so einen völlig anderen Eindruck als andere Besucher bekommt, aber ich kann mir leider wirklich schwer vorstellen, dass man auf Langeoog zu irgendeiner Zeit Ruhe und Erholung findet. Und wenn doch, dann haben es die Insulaner wohl auch bitter nötig ihre Insel einmal für sich zu haben…

Deshalb meine Empfehlung: Nähern Sie sich Langeoog lieber erst als Tagestourist um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie diesen Trubel eine Woche lang aushalten. Oder machen sie einen kleinen Rundflug über die Friesischen Inseln. Das ist garantiert ein Erlebnis der ganz besonderen Art…

m.s.

Author: Matthias